Beginn des zitierten Textes (Rechtschreibung aktualisiert)
Einleitung:
'Das 1909 von Dr.
Leo Hendrik Baekeland, 1863 -
1944, patentierte Material erfreut sich heute unter Sammlern
sehr großer Beliebtheit. Es gibt (fast) keine Richtung, in dem man
nicht auf Objekte aus Bakelit stößt.
Im Rahmen einer größeren Arbeit zum
Thema Konservierung und Restaurierung von Phenolharzen ergaben sich die
verschiedensten Fragen und einige interessante Lösungsvorschläge zu
dieser Problematik. Da dieses Gebiet für die „Radiöler" eventuell auch
von Interesse sein könnte, versuchte ich diese umfassende Arbeit in
wenige, praxisnahe Punkte zusammenzufassen. Zum besseren Verständnis
muss eingehend erwähnt werden, dass viele Versuche mit künstlicher
Alterung von Bakelit gemacht wurden. Die eigentlich interessante Sache
ergab sich aus dem Aspekt, dass die größte Problematik nicht beim
Material selber, sondern bei all den über die Jahre eingebrachten
Reinigungsmittel liegen. Dies ergaben die Auswertungen auf chemischer
Basis.
Das Material Bakelit ist von jeher eine
problematische Angelegenheit, es gibt nicht einfach Bakelit. Die
"Zutaten" wurden in den verschiedensten Varianten und Mischverhältnissen
verwendet. Gerade bei farbenprächtigen Stücken darf die Einfärbung nicht
vergessen werden. , Je nach Farbe ist diese fester oder loser mit dem
Material "verteigt". Angriffe mit Lösungsmittel können auch nur einzelne
Pigmentierungsgruppen zerstören und somit die Farbe unwiederbringlich
verändern. Nicht vergessen sollte man, dass es sich bei Bakelit um ein
eigentliches Abfallprodukt handelt. Es wurden daraus primär günstige
Produkte für ein großes Publikum gefertigt, bei denen auf die Qualität
nicht all zu sehr geachtet wurde. Ebenso war der technische Stand zu
dieser Zeit noch nicht auf dem heutigen (fraglich ob besseren) Niveau
angelangt. Bakelit war eines der ersten "Wegwerfprodukte", und man kann
von ihm heute nicht die Qualität eines Einzelstückes verlangen. Bakelit
ist anfällig und heikel, und als Produkt aus der Petrochemie reagiert es
unmissverständlich auf die selben Mittel.
Viele Wachse, Harze und andere
Imprägnierungs- und Reinigungsmittel, die in den
1950iger und 1960iger Jahre
auf den Markt kamen, waren (und sind es heute noch) mit starken
Weichmachern und Fliessmitteln versetzt. Auch wenn diese Mittel einmal
restlos abgedampft sind, kann schon eine sehr starke Vernetzung mit dem
originalen Material eingetroffen sein. Vergilbt dann das verwendete Harz
oder Wachs, ist die Veränderung kaum mehr zu entfernen, ohne sehr
großen Schaden am originalen Bakelit anzurichten.
Die hier kurz beschriebene
Möglichkeit wird heute in vielen Museen angewandt, da auf dieser Ebene
der Konservierung / Restaurierung heute meistens nach dem Motto
gearbeitet wird, weitere Schäden zu vermeiden.
Der Glanz von heute kann das
"Krepieren" von Materialien in absehbarer Zeit sein. Vielleicht kann als
Beispiel das Regenerierungsverfahren von Max von Pettenkofer genannt
werden, das im Jahre 1863 entwickelt wurde. Viele Gemälde wurden mit
diesem Verfahren "regeneriert", d.h. die vergilbten Überzüge wurden
durch Lösungsmitteldämpfe wieder transparent und frisch gemacht. Jedoch
schon zehn Jahre später zeigte sich, dass alle die so behandelten Werke
nun ein Schadensbild aufwiesen, das noch viel schlimmer war als je
zuvor, und eine weitere Restaurierung fast nicht mehr möglich war.

- Schadensbild bei Radiogehäusen
Eigentlich sind selten
größere
Schäden an Radiogehäusen anzutreffen, außer sie sind einfach
zerbrochen. Bei Obstschalen sieht die Angelegenheit schon viel schlimmer
aus, die Säure des nicht mehr ganz frischen Obstes hat sich in das
Bakelit „reingefressen". Trotzdem sind die Wasserränder der lecken Vasen
oder sonstige Spuren mechanischer Einwirkung nicht von
großer
Seltenheit. Das Bakelit wird an diesen stellen dann „stumpf`, die
homogene, glänzende Oberfläche scheint offenporig und dadurch eher matt.
Es gibt viele Geheimtipps und Spezial
Wässerchen mit denen Bakelit gereinigt werden kann. Am sichersten ist
jedoch immer noch das gute alte Wasser. Mit einem weichen Lappen die
oberflächliche Verschmutzung zu entfernen, ist immer noch die beste
Lösung. Wer wirklich sicher gehen will, verwendet destilliertes oder
entkalktes Wasser um etwaiges einreiben der Kalkreste in die Poren zu
vermeiden. Man kann ohne Probleme auch lauwarmes Wasser verwenden,
jedoch sollte man mit der Flüssigkeit nicht zu großzügig umgehen. In
(fast) jedem Reinigungsmittel sind sogenannte „Schleifmittel" vorhanden.
Diese reinigen eigentlich nur durch die mechanische Bewegung die
eingebracht wird, d.h. eigentlich schleifen sie den Dreck nur weg, wie
natürlich auch das originale Material und verletzen somit die
Oberfläche. Es ist lustig zu sehen, dass alte Silberschalen aus der
Barockzeit manchmal nur noch das halbe Gewicht von dem aufweisen, was
die Prägung uns glauben machen will. Dies ist nicht ein
groß angelegter
Betrug, sonder einfach auf die intensive Reinigungstätigkeit der
Hausdiener zurückzuführen. Hier hat sich bis heute nichts geändert,
jeder noch einigermaßen intakte Chrom kann mit Sig(d?)olin zum sterben
verdammt werden. Man kann statt Sig(d?)olin auch gleich direkt zum
Schleifpapier greifen. Bei Bakelit verhält es sich ähnlich. Wenn
wirklich hartnäckige Flecken zu entfernen sind, kann man auf Methanol
zurückgreifen. Methanol liegt von dem chemischen Verhalten her Wasser am
nächsten. Sollte es mit Methanol nicht zu bewerkstelligen sein, stellt
sich die fortlaufende Reihe so dar: Methanol, Ethanol, Propanol
(Aceton). Es macht an dieser Stelle keinen Sinn, eingehender auf die
Funktion dieser Mittel einzugehen, Es sei nur am Rande erwähnt, dass es
sich dabei um Alkane, d.h. um gesättigte Kohlenwasserstoffe handelt.
Aceton ist zudem im Allgemeinen zu einem sehr großen Grad verunreinigt
und von einer Bearbeitung mit diesem Mittel ist abzuraten. Wenn es
trotzdem zwingend nötig ist, auf eine solch starke chemische Keule
zurückzugreifen, sollte wirklich technisches, industrielles oder ein
sonstiges hochwertiges Propanol verwendet werden. Dies ist nicht ganz
billig, aber sehr sinnvoll, und wenn man die Flasche immer sofort gut verschließt, reicht es ewig. Die genannten Mittel lassen sich auch mit Wasser
vermischen. Sie werden somit in ihrer Wirkung gebremst, jedoch
verhindert das Wasser auch das schnelle Verdunsten, und die
Lösungsmittel bleiben länger auf der Oberfläche oder im Material
liegen.

Konservieren / Restaurieren
Um das Gehäuse oder den Knopf wieder
im alten Glanze erstrahlen zu lassen hat sich bei unseren Versuchen ein
einfaches Mittel am besten bewährt. Sämtliche empfohlenen Pasten ergaben
keinen Glanz des Bakelites sondern einen Überzug der an sich glänzte,
jedoch nichts vom originalen Charme eines alten Radios aufwies. Ebenso
sind diese Mittel zum Teil sehr gefährlich, die Lösungsmittel und
Zusatzstoffe sind selten genau definiert. So werden Mittel in das
Bakelit eingebracht, die Jahre später noch ausdampfen oder eine
Veränderung der Materialstruktur herbeiführen. Diese Schäden rächen sich
meistens erst Jahre später, aber dann richtig!
Da unsere Versuche darauf angelegt
waren eine möglichst lange Haltbarkeit zu erreichen legten wir sehr
großen Wert auf die Tatsache, dass keine chemischen oder physikalischen
Reaktionen auftraten. Als die sicherste und beste Lösung
stießen wir
auf diese Rezeptur:
Paraffin, ein Gemisch aus festen
Kohlenwasserstoffen, aufgelöst in Benzin. Sogenannt weiches Paraffin,
z.B. Vaseline, hat einen Schmelzpunkt von etwa 30 C°. Reines Paraffin
ist im Fachhandel (Drogerie) ohne Probleme erhältlich.
Dieses sollte nun in Benzin aufgelöst
werden, es ist zu empfehlen von der Menge her verschiedene Mischungen zu
probieren, meistens ist weniger Paraffin besser. Nun kann man auf die
stark beschädigten Stellen einmal „Vortränken", also wieder mit einem
weichen Lappen diese Mischung auftragen. Das Benzin wirkt als
Fliessmittel und wird vermutlich in grossen Mengen in das Bakelit
eindringen. Dies ist nicht schlimm, da es ebenso schnell wieder
verdunstet. Man merke: Eine schöne Arbeit für im Sommer, im Garten oder
auf dem Balkon durchzuführen, ansonsten ist eine Maske mit Filter nicht
die schlechteste Lösung. Nun kann man diese Prozedur an diesen Partien
so manchmal wiederholen bis das ganze Gehäuse wieder eine
einigermaßen gleichmäßige Oberfläche hat. Dann kann man sich einmal hinsetzen und
die tollste Arbeit ausführen: man lässt trocknen. Eigentlich sollte
innert ein paar Minuten das ganze Benzin verdunstet sein. Es ist
wichtig, wirklich Benzin zu nehmen, und nicht auf Sprit zurückzugreifen.
Der handelsübliche Brennsprit hat einen viel zu grossen Wasseranteil und
ist auch sonst nicht gerade ein „sauberes" Mittel.
Nun kann man sich an das ganze
Gehäuse wagen. Dies sollte man gleichmäßig mit dieser Mischung
einreiben, eventuell ist es möglich sie noch einmal ein bisschen zu
verdünnen. Je dünner und feiner das Paraffin gelöst ist, desto schöner
wird das Ergebnis. Dieser Vorgang kann man nun so oft wiederholen, bis
das Bakelit „gesättigt" ist, und die oberste Schicht die offenen Poren
zu füllen vermag. So entsteht eine stabile Gehäuseoberfläche die sich
nach dem kompletten verdunsten des Benzins mit einem weichen Lappen
leicht aufpolieren lässt. Es ist darauf zu achten, dass nicht zuviel
aufgetragen wird, ansonsten ergibt sich wieder das Problem der
„speckigen" Schicht auf dem Bakelit.
Resümee
Es sei hier erwähnt, dass die Gehäuse
jetzt nicht glänzen wie ein polierter Kinderpo, jedoch haben sie etwas
von dem Charakter des Materials zurück gewonnen, ohne dass nun mit
größeren Komplikationen gerechnet werden muss. Probestücke die wir so
behandelt haben, und danach künstlich zwischen zwanzig und hundert Jahre
gealtert haben, sind sehr stabil geblieben und haben ihr Aussehen kaum
verändert. Auch ist die „Anfass Qualität" vorhanden geblieben, man
berührt noch Bakelit und nicht eine wachsige Masse oder eine fettige
Haut.
Auch wenn der Aufwand etwas größer
ist, lohnt sich diese Prozedur für die über Jahre zusammengetragenen
Liebhaberstücke.'
Reto Casut
Ende des zitierten
Textes
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